„Maria Stuart“ am Mainzer Staatstheater
Geschrien, geweint, gehofft und gefleht
Eine Rezension von Alexandra Schnittler (12E), 10. November 2018
Mainz. Die Lichter gehen aus, es wird still im Saal. Durch von oben einfallendes Licht, welches die Kulissen nach und nach offenbart, tauchen die Zuschauer langsam in die Welt der Maria Stuart, der schottischen Königin des 16. Jahrhunderts ein. Die in England auf Schutz hoffende Stuart wurde hingegen gefangen genommen. Gefesselt in ihrem tristen Kerker sitzt sie; machtlos muss sie zusehen wie ihr Schmuck und persönliche Briefe gestohlen werden und wie ihre treue Amme Hannah blutig zusammengeschlagen wird.
Es ist ein Stück, das den Zuschauer für einen Moment in eine Welt einführt, in der menschliches Empfinden und politische Machtkämpfe aufeinander knallen; in der mal das eine, mal das andere überwiegt.
Es wird geschrien, geweint, gehofft und gefleht. In einem Moment liegt Maria Stuart (Anika Baumann) am Boden, bittet um ihr Leben, gibt ihre Machtstellung vollkommen auf, reißt sich die Perücke vom Kopf. Im nächsten Moment bricht sie in Wut aus. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, welches durch Liveübertragungen einer Kamera zusätzlich verdeutlicht wird. Ohne Angst vor extremer Nähe werden die Mimiken der Schauspieler eingefangen und auf eine halbtransparente Leinwand projiziert.
Was aus dem Alltäglichen bekannt sein mag, kommt hier deutlich zum Tragen: Zwei Frauen bekriegen sich, es werden alle Register gezogen und die Stärkere gewinnt. Im Drama „Maria Stuart“ geht es allerdings nicht um den besseren Platz beim Beyoncé-Konzert. Es erzählt von einem politischen Ereignis, einem geschichtlichen Fakt.
Bevor es zu der Schlüsselszene kommt, die viele Zuschauer sicher ungeduldig erwarten, ist die Handlung von Intrigen und diplomatischen Schachzügen der Akteure geprägt. So initiiert Mortimer selbst das Treffen der Beiden, da er hofft, die Eingekerkerte so retten zu können. Sie soll das Herz der Königin Elisabeth erweichen, wobei er Elisabeth zunächst in ihr Gewissen redet. Er überzeugt sie davon, dass Maria keine echte Konkurrenz darstelle, weshalb es nicht nötig sei, sie zu ermorden. Mortimer stellt eine der Personen dar, Die es verstehen, Einfluss auf handelnde Personen zu nehmen und den Lauf der Handlung so zu lenken. In der Schlüsselszene selbst, fällt erneut ein technisches Gestaltungsmittel auf, welches den Wert der Vorstellung deutlich anhebt.
Der Bühnenauftritt der Königin Elisabeth erfolgt über mehrere Ebenen. Starkes Gegenlicht lässt zunächst ihren Umriss erahnen. Pompös, sich ihrer Stärke bewusst, betritt sie dem sich immer weiter nach vorne arbeitenden Licht folgend die Hauptbühne. Ihre Vormachtstellung wird sehr deutlich.
Der Zuschauer bekommt nach und nach eine Person zu sehen, über die er bereits einen Eindruck hat, von der es aber nach dem in die Länge gezogenen, pompöse wirkenden Aufstieg und die späte Enthüllung dringend nötig erscheint, mehr zu erfahren.
In seiner zweiten Regiearbeit im Mainzer Staatstheater inszeniert Dariusch Yazdkhasti unter Einsatz moderner medialer Gestaltungsmittel eine düstere Atmosphäre, in die Besucher des Stückes für vergleichsweise kurze zwei Stunden eintauchen dürfen.
Zusammenfassend lässt sich das Stück als durchaus anspruchsvoll bezeichnen, weshalb man sich als Zuschauer genügend Zeit und Ruhe nehmen sollte, sich auf die Vorstellung einzulassen. Zudem ist es für Besucher, welche es bevorzugen früh zu Bett zu gehen ratsam, nach Möglichkeit eine frühere Aufführung zu besuchen, da das Stück durch den darstellerischen und thematischen Anspruch durchaus Energie erfordert. Für Zuschauer der jüngeren, frühjugendlichen Altersgruppe ist das Stück deshalb nicht geeignet. Es sollte bereits Kontakt mit klassischen Lektüren bestanden haben, was es erleichtert, die Handlung zu verstehen.
Wer sich also gerne eine moderne Interpretation des Theaterklassikers von Friedrich Schillers‘ Originalfassung anschauen möchte und sich in der Lage sieht, ein etwas anspruchsvolleres Stück zu verfolgen, ist im Mainzer Staatstheater sicherlich gut aufgehoben.
Diese Rezension stellt eine Nachbetrachtung des gemeinsamen Theaterbesuchs dar. Am Abend des 31. Oktober 2018 war der Deutsch-Grundkurs mit Herrn Rehm in der genannten Aufführung.