Unterwegs in der Region

Wanderausstellung “Industrie und Holocaust” in Wiesbaden

Topf und Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz

 

Ein Bericht von Anita Pegler, November 2018 

 

Am 25. Oktober widmete sich unser Geschichtskurs der Stufe 12 zusammen mit Frau Mohles dem zuvor im Unterricht ausführlich behandelten Thema Holocaust auf eine ganz besondere Weise. 

Die internationale Wanderausstellung “Industrie und Holocaust” macht Halt im unterirdischen Stadtmuseum am Marktplatz (Wiesbaden) und gibt am Beispiel der ehemaligen Firma Topf &Söhne Einblick in die Organisation der von den Nationalsozialisten beschlossenen und durchgeführten “Endlösung der Judenfrage” und in die Verbindung von Holocaust und Industrie.

Es gab „nicht Teufel und Menschen in Auschwitz, sondern Menschen und Menschen“, so Józef Szajna, ehemaliger polnischer Auschwitz- und Buchenwaldhäftling. Menschen, die das Lager wollten, errichteten und in Betrieb hielten, und Menschen, am Ende weit über eine Million, die dort umgebracht wurden.

Das zunächst kleine 1878 in Erfurt gegründete Unternehmen wurde bekannt durch seine leistungsfähigen Öfen, die die Verbrennung von Braunkohle optimierten. Topf & Söhne gehörte schon vor dem Ersten Weltkrieg zu den weltweit führenden Herstellern von Mälzereianlagen für Brauereien. Weitere Schwerpunkte der Produktion waren der Dampfkessel-, Schornstein- und Speicherbau. Bald kamen Be- und Entlüftungsanlagen sowie seit 1914 Einäscherungsöfen für Krematorien hinzu.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Feuerbestattung aufgrund ihrer inzwischen niedrigen Kosten vor allem in den städtischen Arbeiterkreisen bevorzugt.

1934 erfolgte eine reichseinheitliche Gesetzgebung, welche die Feuerbestattung der Erdbestattung gleichstellte.

In diesem Zusammenhang empfahl sich die Firma Topf & Söhne als Hersteller von Krematoriumstechnik, die eine besonders würdige Einäscherung ermöglichte. Als zuständiger Ingenieur der Firma betonte Kurt Prüfer, „die Feuerbestattung [dürfe] nicht auf die Stufe der Kadaververnichtung sinken […], sondern [müsse] vor allem Gründe der Hygiene und Pietät […] berücksichtigen“.

Das änderte sich gravierend mit Beginn des 2. Weltkriegs. Prüfer, seit 1933 ebenso wie die Brüder Topf Mitglied der NSDAP, sah in der Errichtung der Krematorien in den Vernichtungslagern eine Chance, die Einnahmen zu steigern und sich selbst zu profilieren.

Aus Sicht der Nationalsozialisten war mit den Verbrennungsöfen der Firma Topf & Söhne eine kostengünstige und schnelle Leichenentsorgungsmethode für die Konzentrationslager gefunden.

Würde des Menschen? Gewissen? Pietät? – spielten keine Rolle mehr!

Mitgerissen von dem, was technisch möglich war, erfanden Ingenieure der Firma „ohne Auftrag, aus freien Stücken, (…) noch effizientere Vorrichtungen zur Beseitigung von immer mehr Menschen. Sie eilten mit ihren Entwürfen den Anforderungen der SS weit voraus. Die dadurch erzielten persönlichen und ökonomischen Vorteile waren bescheiden und können das große Engagement nicht erklären.“

Insgesamt lieferte die Firma bis zum Kriegsende 1945 mindestens 25 Öfen mit 76 Verbrennungskammern in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau, Mauthausen, Gusen, Auschwitz, Groß-Rosen und Mogilew. Bei Bedarf stellte Topf & Söhne der SS auch immer wieder mobile Verbrennungsöfen zur Verfügung.

Erst Anfang der 90er Jahre nach der Wiedervereinigung begann die Aufarbeitung der Firmengeschichte. Seit Januar 2011 gibt es den Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz auf dem ehemaligen Firmengelände in Erfurt. Damit bekennt sich die Landeshauptstadt Erfurt nach langjährigen Diskussionen zu ihrer Verantwortung gegenüber der Geschichte und sichert einen historischen Lernort und dessen unersetzbares Potential zur Reflexion ethischer Fragen des Arbeitens und Wirtschaftens für die Zukunft.

 

Unser Kurs hat mit dem Besuch der kleinen, aber interessanten und eindrucksvollen Ausstellung die Erkenntnisse aus dem Unterricht vertiefen können. Gerade die in der Ausstellung gezeigten detaillierten Pläne für die Krematorien und Verbrennungsöfen in den Konzentrationslagern haben uns das planmäßige und völlig mitleidslose Vorgehen von Arbeitern und Angestellten in ganz „normalen“ Unternehmen verdeutlicht, die sich über die Folgen ihrer technischen „Erfolge“ keine Gedanken gemacht haben, die sie verdrängten oder denen es schlicht auch egal war.

Die Ausstellung wird noch bis zum 27. Januar 2019 in Wiesbaden im Stadtmuseum am Markt gezeigt.

 

Anmerkung der Redaktion: Bei den Fotos handelt es sich um genehmigte Aufnahmen, welche die Schüler*innen im Stadtmuseum Wiesbaden gemacht haben. Sie zeigen einzelne Eindrücke von der beschriebenen Ausstellung.