Ein Denkanstoß zum Thema Medienkonsum

Medien – Die Herren über unsere Gesellschaft

[ein Beitrag aus dem Deutschunterricht Q2]

(Quelle: pixabay.com)

Wie viele von uns haben ihre Smartphones in dem Augenblick in greifbarer Nähe? Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr nach eurem Handy in der Hosentasche oder Handtasche greifen würdet und bemerkt, dass es nicht da ist? Ich jedenfalls würde in Panik ausbrechen und alles stehen und liegen lassen, nur um es wiederzufinden. Ist das ein gesunder Zustand? Könnten wir auf all’ diese Smartphones, Tablets, Laptops verzichten, obwohl sie uns bekanntlich doch so viel Arbeit abnehmen und uns so unser Leben erleichtern? Ein Alltag ohne jegliche Technik. Ist das überhaupt noch vorstellbar? –

Eine Situation, die vor wenigen Jahren noch Tatsache war und nun in Vergessenheit geraten ist. Medien beeinflussen unseren Alltag, unser Leben und damit auch unsere Gesellschaft. Smartphones zählen mittlerweile unter anderem zum ständigen Begleiter des Menschen, doch stellt sich die Frage, ob wir die modernen Medien tatsächlich so sehr brauchen wie wir abhängig von ihnen sind. Dienen die Medien uns oder wir den Medien? Sind wir Herren oder Sklaven über unsere Smartphones?

Mit der Entwicklung der Medien hat sich auch unsere Gesellschaft entwickelt – das ist keine Frage. Allein, wenn man sich unsere Schulen anschaut wird das deutlich. Während der Lehrer den Schülern früher Aufgaben an einer richtigen Tafel, wofür man Kreide gebraucht hat, vorgerechnet hat, erledigt mittlerweile das Smartboard den Großteil. Der Unterricht und das Lernen werden dadurch in mancher Hinsicht erleichtert, aber in vieler Hinsicht auch beschleunigt.

Konkret wird das am Beispiel der Fahrschule. Dort läuft nicht nur das theoretische Lernen mobil ab, sondern auch die theoretische Prüfung verläuft am PC, welcher somit den der Vergangenheit angehörigen Prüfungsbögen aus Papier als Ersatz dient und wiederum ermöglicht, dass man bereits wenige Minuten nach Prüfungsende weiß, ob man bestanden hat oder nicht, da der Computer die Prüfungsbögen in Sekundenschnelle alleine auswertet.

Doch um nochmal auf die Entwicklung der Gesellschaft einzugehen… Wer von euch hat die große Ehre wilde, energische, abenteuerlustige, nervenzerreißende kleine Geschwister zu haben? Ich jedenfalls hab mit insgesamt drei Brüdern mehr als genug von diesen. Allerdings fallen mir große Unterschiede zwischen der Kindheit, die ich mit meinem Zwillingsbruder verbracht habe, und der Kindheit, die nun meine zwei kleinen Brüder (fünf und acht Jahre alt) verbringen, auf. Während die oben genannte Beschreibung von kleinen Kindern auf meinen Zwillingsbruder und mich 24/7 zutraf, stimmt sie bezogen auf meine kleinen Brüder nur noch teilweise zu. So energisch und abenteuerlustig scheinen sie mir oft nämlich gar nicht, da sie den Großteil ihres Tages mit YouTube und Handyspielen verbringen. Während mein Zwillingsbruder und ich täglich mit aufgeschlagenen blutigen Knien vom Spielen und Klettern nachhause kamen, sorgen meine kleinen Brüder von der Couch aus dafür, dass jemand anderes in ihrer virtuellen Welt blutig geschlagen wird. Die Freizeit von kleinen Kindern wird heutzutage überwiegend zuhause vor Bildschirmen verbracht statt draußen, wo man selbst etwas erlebt. Zumindest in meinen Augen ist das ein unglaublich großer Verlust von wertvoller Lebenszeit, an die man sich eigentlich noch lange erinnern sollte. Die Kindheit stellt leider nur einen ziemlich kleinen Abschnitt unseres Lebens dar – eine Zeit, in der man frei von Verpflichtungen und jeglichen Sorgen ist. Ich und viele andere aus meiner Generation haben diese Zeit genossen, indem wir unserer Phantasie und Kreativität freien Lauf gelassen haben, unsere physischen Leistungen beim Spielen an die Grenzen trieben. Auf diese Weise hat man Hirnprozesse angetrieben und gefördert und bestimmte Stärken für’s Leben entwickelt. Inwiefern kann man also davon ausgehen, dass die modernen Medien den Kindern der Zukunft schaden, da sie durch deren Nutzung und Abhängigkeit bzw. Sucht nicht mehr gefordert werden und sich in eine ganz andere Richtung weiterentwickeln? Inhaltslose Computerspiele statt geistiger Intellektualität und soziales Leben – ist es das, was wir wirklich wollen?

Mein Vater ärgert sich regelmäßig, wenn er nach einem langen Arbeitstag am Abend nachhause kommt und sieht, dass alle vier Kinder vor verschiedenen Bildschirmen sitzen – manchmal selbst seine Frau. Eine direkte Kommunikation innerhalb der Familie findet in vielen Fällen nicht mehr statt. Es wird überwiegend über die sozialen Medien kommuniziert. Das Verhalten der Familie bzw. das Familienleben hat sich dementsprechend in vielen Haushalten drastisch verändert. Innerhalb von Freundeskreisen sieht es ebenfalls nicht viel anders aus. Selbst im eigenen Freundeskreis ist dies bei genauerer Beobachtung erkennbar: Bei gemeinschaftlichen Treffen wird von anderen, aber auch von einem selbst immer öfter das Handy aus der Tasche gezückt und statt unterhaltsame Gespräche mit seinen Freunden zu führen, vertiefen sich die meisten in den Feed von Facebook, Instagram und Co. Auch wer mit offenen Augen durch die Stadt läuft, sieht, dass junge Leute in Cafés nicht miteinander reden, sondern stattdessen besessen von ihren Smartphones sind. Das kann doch kein gesunder Zustand sein! Es ist ganz logisch, dass als Folge sogar Vereinsamung aufkeimen kann, da immer weniger persönliche Sozialkontakte wegen sozialer Medien geknüpft und gepflegt werden. Sind uns die sozialen Medien und deren Inhalt so viel wichtiger geworden als unsere eigenen Freunde und Familie? Haben sie so sehr an Wert gewonnen in unserer Gesellschaft, dass sie über unser wesentliches Leben hinausragen – dass sie mittlerweile unseren Lebensinhalt darstellen? Uns entgleitet das Gefühl für das reale Leben und wir eignen uns dafür immer größer werdende Fähigkeiten hinsichtlich der Benutzung von Medien an. Während Medien früher ausschließlich als Informationsquelle gedient haben, umfassen sie heutzutage so viel mehr – inklusive unseres eigenen Lebens, ja sogar unsere Privatsphäre!

Intensive Nutzung von modernen Medien lässt uns dumm werden. Dies wird nicht nur von Neurowissenschaftlern wie Manfred Spitzer belegt, sondern ist auch ganz logisch selbst erklärbar. Die neuen Medien nehmen uns sehr viel „Gehirnarbeit“ ab. Was wir früher im Gehirn abgespeichert haben, speichern wir jetzt lieber ganz unkompliziert in unseren Smartphones o.Ä. ab. Geburtstage, Termine, Telefonnummern,… all’ das merkt sich jetzt die Technik, die wir ständig mit uns haben. Selbst Kopfrechnen müssen wir nicht mehr, da wir kurzerhand dank toller vorinstallierter Programme nur noch die jeweiligen Ziffern eingeben müssen und voilà – das Ergebnis erscheint in Millisekunden auf unserem Display. Das Merken von Rechtschreibregeln ist ebenfalls kaum noch von Bedeutung, da unsere Rechtschreibprogramme alles unaufgefordert automatisch korrigieren. Das Gehirn wird zunehmend entlastet und in vielen Bereichen mehr oder weniger gar nicht mehr beansprucht, sondern einfach durch unsere digitalen Medien ersetzt. Ich höre von immer mehr Menschen aus meiner Umgebung und meinem Bekanntenkreis wie sie sich zunehmend über ihren Orientierungssinn beschweren und dass ihre Orientierungsfähigkeit doch über die letzten Jahre hinweg so sehr nachgelassen hätte. Ist doch kein Wunder, wenn fast jeder ein Navigationsgerät in seinem Auto besitzt, welches man regelmäßig benutzt. Anstatt dass sich das Gehirn immer weiter entwickelt und ausbildet bis zu einem bestimmten Alter, bildet es sich bereits in den frühsten Lebensjahren zurück. Man kann sogar davon ausgehen, dass die jüngeren Generationen bestimmte Gehirnareale gar nicht richtig ausbilden werden, da sie von vornherein mit der modernsten Technik aufwachsen und sie diese ganz bequem nutzen werden.

Ist das wirklich das Ziel unserer Gesellschaft? Dass wir auf Medien angewiesen sind, damit wir einen „normalen“ Alltag führen können..? Dass wir uns selbst krank machen durch den exzessiven Medienkonsum? Es mag vielen nicht bewusst sein, aber letztendlich ist das der Start zur homogenen Gesellschaft – eine Gesellschaft, die keinen selbstständigen Verstand hat, keine Querdenker, keine Fortschritte… Nur die technischen Fortschritte sind von Bedeutung und das, was in unserer Gesellschaft zählt, denn die Technik ist es, worauf unsere Medien mittlerweile aufbauen und sich weiterentwickeln. Wir treiben diesen Vormarsch aktiv voran mit dem unbewussten Ziel, uns noch abhängiger von den digitalen Medien zu machen, als wir es ohnehin schon sind. Wir machen uns selbst zu Sklaven der Technik, weil wir verlernt haben, ohne sie zurechtzukommen. Entspricht die gesellschaftliche Behauptung, dass wir frei sind, denn überhaupt noch der Wahrheit? Für mich ist Unmündigkeit keine Freiheit, doch genau das ist es, zu was wir uns machen. Unser Leben oder besser unsere Lebensqualität verliert an Wert, wenn wir nicht frei sind. Wir sollten anfangen, es uns bewusst zu machen, statt diese Entwicklung weiter zu forcieren. Wir müssen lernen uns unabhängig von Medien zu machen und sie lediglich als Hilfestellung benutzen und nicht als Leitmotiv unserer Lebensführung oder als Gehirnersatz!

von Elma Junuzovic