Das Ende Erdoğans Regimes?

Die Präsidentschaftswahl in der Türkei 

Ein Beitrag von Nisa Bagceci, Klasse 7a

Momentan läuft die Präsidentenwahl in der Türkei. Obwohl sie viel Aufregung, Diskussion und Neugier ausgelöst hat, veursachte sie auch Streiterei, Unruhe und Stress zwischen den Schülern und Schülerinnen. Auch das Ausland ist zum großen Teil gespannt herauszufinden, wer die Wahlen gewinnen wird. Es wäre klug, die Wahlen zu verfolgen: Das Ergebnis könnte nämlich vieles verändern. 

Die Türkei ist ein sehr einflussreiches Land mit einem starken Militär. Sie ist seit Dezember 1960 ein Teil der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development, auf Deutsch Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und hat einen der höchsten Beitragssätze aller Länder in dieser Organisation. Im Vergleich zu anderen Ländern auf der Welt ist ihre Wahlbeteiligung sehr hoch: Die Präsidentenwahl am 14. Mai 2023 hatte eine Wahlbeteiligung von fast 87%, wo die letzte Bundestagswahl ungefähr 77% und die letzte Präsidentenwahl in den U.S.A. eine Wahlbeteiligung von unter 70% hatte.  

In der Wahl gab es vier Kandidaten. Recep Tayyip Erdoğan, der die Türkei schon seit zwanzig Jahren regiert, war einer der Hauptkandidaten. Er führt die AKP, auf Türkisch ‘Adalet ve Kalkınma Partisi’ und bedeutet übersetzt ‘Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung’. Erdoğan legt einen hohen Wert auf die Religion in seinem Land und ist sehr konservativ. Deswegen halten ihn viele streng Religiöse und Konservative  in der Türkei ein gutes Staatsoberhaupt und wollen, dass er weiterhin das Land regiert. Viele politischen Experten vermuten deswegen, dass er die Wahl gewinnen wird. 

Erdoğans Konkurrent, Kemal Kılıçdaroğlu, ist aber auch bei vielen Türken beliebt. Er ist Nationalist und Säkularist. Säkularist zu sein bedeutet, dass man einen Staat von der Religion trennen will. Genau das finden viele Türken gut: Sie finden, dass die Türkei ein weltliches Land sein sollte und dass die Religion es in seiner Entwicklung nur einschränkt. Kılıçdaroğlu ist Anführer Erdoğans konkurrierender Partei, der CHP, auf Türkisch ‘Cumhurhiyet Halk Partisi’. Übersetzt bedeutet das ‘Republikanische Volkspartei’.  

Es gibt auch militärische und politische Gründe, warum man dem einen oder anderen Kandidaten seine Stimme schenken kann: Erdoğans gutes Verhältnis zu dem russischen Präsident Vladimir Putin gegenüber ist ein sehr bekannter Aspekt und die darauf basierende Zusammenarbeit und Wirtschaftsbeziehungen werden vielfach hoch angesehen. Wenn Erdoğan die Wahl verliert, könnte sich vieles verändern und Putin könnte einen sehr wertvollen Verbündeten verlieren. Kılıçdaroğlus Gewinnen der Wahl könnte wiederum dazu führen, dass Schweden der NATO beitreten darf: Erdoğan ist nämlich dagegen, Kılıçdaroğlu nicht. 

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Am 14. Mai 2023 fand der erste Durchgang der Präsidentenwahl mit einer extrem hohen Wahlbeteiligung von 86,98% statt. Von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr abends Ortszeit wurde gewählt, bis endlich die 55,836,055 Wahlzettel gezählt worden waren. Davon waren 54,442,419 gültig. Obwohl Erdoğan jede Wahl bis jetzt immer mit Leichtigkeit gewonnen hat, wurde es dieses mal knapp: er hat nur 49,6% der Stimmen bekommen, und sein Gegner Kılıçdaroğlu bekam 44,8%. Keiner der beiden hat die Wahl gewonnen, denn um eine Präsidentenwahl zu gewinnen, wird in der Türkei und in den meisten Ländern (inkl. Deutschland) eine absolute Mehrheit benötigt. Das bedeutet, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen mehr als die Hälfte der Stimmen bekommen muss, um zu gewinnen. Sonst, wie in diesem Falle, wird zwischen den zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen nach zwei Wochen eine Stichwahl durchgeführt. Bis dann versuchen die beiden Kandidaten ihre Kampagnenstrategien zu stärken. 

Die beiden Parteien, die AKP und CHP, sind schon immer die beiden beliebtesten Parteien gewesen und gegeneinander aufgetreten. Erdoğan und Kılıçdaroğlu sind auch schon seit Erdoğans erster gewonnen Wahl Konkurrenten und treten alle fünf Jahre in der Präsidentenwahl gegeneinander an. Es gibt auch zwei andere Kandidaten; Sinan Oğan und Muharrem Ince. Ince hat dieses Jahr kaum mehr als ein Prozent der Stimmen bekommen und Oğan gerade mal fünf, dennoch könnte Oğan in der Stichwahl eine Schlüsselrolle spielen. Die ungefähren 5% der Stimmen die er bekommen hat, werden höchstwahrscheinlich zum größten Teil für die AKP, also für Erdoğan sein.  

Die MHP (‘milliyetçi hareket partisi’, auf Deutsch ‘Partei der Nationalistischen Bewegung’), Oğans Partei, teilt nämlich viele Werte mit der AKP. Beide sind nationalistische Parteien und den meisten Unterstützern der MHP gefallen die Werte und Ziele der CHP nicht. Deswegen ist es sehr wahrscheinlich, dass Oğans 5% der Stimmen in der Stichwahl zu Erdoğan wechseln werden und nicht zu Kılıçdaroğlu. Oğan hat auch am 22.05.2023 um 17 Uhr Ortszeit bekannt gegeben, dass er Erdoğan unterstützt. Worin dies resultieren wird, ist schon relativ offensichtlich: Viele, wenn nicht alle Bürger und Bürgerinnen, die in der ersten Wahl für Oğan waren, werden in der Stichwahl für Erdoğan sein. 

Das ganze Thema Präsidentschaftswahl bringt auch hier in Deutschland zwischen den Schülern und Schülerinnen mit türkischem Migrationshintergrund viel Aufruhr und Streit: Erdoğan oder Kılıçdaroğlu? AKP oder CHP? Wie am Anfang schon gesagt, könnte das Ergebnis der Wahl vieles Militärisches und Politisches verändern. Viele von uns Bürger*innen hier in Deutschland beeinflusst das nicht direkt: Aber was ist mit denen, die in der Türkei Familie haben? Oder denjenigen, die einen türkischen Migrationshintergrund haben? Und nun mal an euch: Habt ihr überhaupt eine Meinung dazu? Für wen seid ihr? Am 28. Mai 2023 wird alles aufgelöst: Dann wird nämlich die Stichwahl stattfinden. Wenn euch dieses Thema weiterhin interessiert, könnt ihr euch auch in den Medien oder im Internet informieren. 

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