Eine Kurzgeschichte von Henriette Rösch, Klasse 8b
Mein Herz raste und mein Atem tat es ihm gleich. Dennoch setzte ich zittern einen Schritt vor den anderen. Ich streckte die Hand aus und mit einem Ruch zog ich unsere Schultür auf. Lautes Gelächter, wütend gebrüllte Befehle und Gesprächsfetzen schlugen mir ins Gesicht. Meine Augen schossen, von Panik geweitet, durch das Gewühl unserer Aula. Ich sah streng zurückgebundene Haare und offen gelassene Locken, T-Shirts und Hoddies, Jeans und Jogginghosen. Meine Aufmerksamkeit galt jedoch einzig und allein den drei Typen, die ich im hinteren Teil des großen Raums erspäht hatte. Sehr zu meiner Angst, hatten sie auch mich bemerkt.
Tyler, der Anführer der kleinen Gruppe grinste selbstgefällig und boxte seinen Kumpels unsanft in die Seite, um sie auf mich aufmerksam zu machen. Sie sahen auf und als sich unsere Blicke trafen, konnte ich trotz der Entfernung ein Glitzern in ihren Augen erkennen. Ich schwöre, es war Mordlust. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich machte zwei Schritte rückwärts.
Seit fast einem Jahr geht das jetzt so: Tyler uns seine zwei Freunde, sie heißen Tom und Max, machen sich bei jeder Gelegenheit über mich lustig. Anfangs habe ich versucht es zu ignorieren, “drüber zu stehen”. Eben all das, was sie uns immer sagen. So würde das Mobbing aufhören. Irgendwann würde es den Tätern langweilig. Doch das wurde es ihnen nicht. Nie. Irgendwann begann ich mich zu wehren. Doch egal wie gemein sie zu mir waren, wenn Lehrer dazwischen gingen, schafften sie es immer es so zu drehen, als wäre es meine Schuld. Ich hätte angefangen. Und überhaupt würden immer nur die Jungen bestraft. Vor ein paar Wochen habe ich angefangen mich zurückzuziehen. Ich treffe mich mit niemandem mehr (also nicht, dass das irgendjemand gewollt hatte) und versuche möglichst wenig zu sprechen. Schließlich habe ich gelernt, dass Aufmerksamkeit etwas Schlechtes ist.
Doch heute Morgen hatte ich zu viel davon. Tyler und sein Gespann bahnten sich einen Weg durch das Getümmel auf mich zu. Kurz bevor sie mich erreichten, gongte es. Ich dachte, sie würden jetzt in den Unterricht gehen und ich wäre für den Moment sicher. Doch die drei ließen sich nicht beirren.
Und da wusste ich, an diesem Tag würde es nicht bei rein verbaler Gewalt bleiben. Sie hatten mich erreicht und Tyler packte mich an den Schultern. Der Wind, der hier oben auf der Brücke so stark ist, weht mir um die Nase. Von unten schallt der Autolärm zu mir auf. Ich sehe an mir herunter. Mein Blick bleibt an meinen Beinen hängen. Meine Hose ist an den Knien eingerissen und sie sind blutig. Ich zucke zusammen, beinahe spüre ich wieder den Beton auf den Tyler mich geschubst hat und beinahe höre ich wieder ihr Gelächter. Doch ich beiße die Zähne zusammen. Ich möchte es nicht an mich ranlassen nicht jetzt. Tyler hat mir schon genug genommen, er wird mir nicht auch noch diesen Moment nehmen. Stattdessen denke ich an all die Momente in denen mir hätte geholfen werden können. Von Lehrern. Von meinen Mitschülern. Aber sie haben es nicht. Vielleicht habe ich es nicht verdient. Vielleicht hat Tyler recht. Vielleicht wird mich niemand vermissen.