Verpufft, als wäre nichts gewesen
eine Glosse von Nika Ergindemir
Soviel Schönes schwappt aus Amerika nach Europa. Popmusik, die Coca-Cola-Flasche, der Marlboro-Mann, der Bau einer Mauer. Ach nein, bei letzterem waren wir schneller. Und auch der Marlboro-Mann lebt nicht mehr. Sogar seine Hinterlassenschaft wird immer kleiner. Mit einem neuen gesundheitsorientierten Bewusstsein und jahrzehntelanger Aufklärung haben es die Europäer tatsächlich geschafft, die Zahl der Raucher deutlich zu reduzieren.
Und schon kommt eine neue amerikanische Errungenschaft über den Ozean, die nach ersten Untersuchungen noch gesundheitsschädlicher ist als Coke und Zigaretten zusammen.
Juul heißt die stark nikotinhaltige E-Zigarette. Die Zielgruppe sind Minderjährige. Klar, einmal nikotinabhängig geworden, bleiben Sie mitunter ein Leben lang treue Konsumenten. Die E-Zigarette ist klein und hat einen USB-Anschluss. Dieser ist, so wie früher der Aschenbecher im Haushalt, gerade bei jüngeren Menschen überall vorhanden. Wie schick, wie trendy. Genau das richtige für den Schulhof. Ja, dort ist Rauchen in der Regel verboten, aber hier zieht Juul seine Register, eben mal Verbote unbemerkt zu umgehen. Ein Zug aus der E-Zigarette verpufft sofort und hinterlässt keinen Geruch. Endlich wieder eine sinnvolle Erfindung und genau das Richtige, um damit in der Pausentoilette eine zu paffen. Wie cool, wie aufregend, wie gefährlich.
Die E-Zigarette wird mit einer Kapsel gefüllt. Diese reicht für rund 200 Züge, was ca. einem Päckchen Zigaretten entspricht. In Deutschland zugelassene Kapsel enthalten zwar weniger Nikotin, als in Amerika, aber die Wirkung ist anders als bei Tabakzigaretten. Die Kapsel enthalten Salze, die viel schneller und intensiver in den Körper gelangen. Nikotin pur, frei von unangenehmen Gerüchen, Abhängigkeit inklusive.
Das Problem hat man inzwischen auch auf einigen amerikanischen Schulen erkannt. Toiletten wurden mit Dampfdetektoren ausgestattet und sogar teilweise Toilettentüren ausgehängt, damit dahinter nicht heimlich gedampft werden kann. Man darf auf die Eltern-Diskussion gespannt sein, sollte eine Schule hierzulande auf die gleiche Idee kommen.
Ersten Erhebungen nach raucht bereits jeder vierte bis fünfte Jugendliche in Amerika E-Zigaretten. Die Juul ist inzwischen neben Deutschland auch in England, Frankreich, der Schweiz, Israel und Russland zugelassen.
Natürlich sind wir gründlich. Der Verkauf an Jugendliche ist selbstverständlich strafbar. Warum man das Produkt überhaupt erst zulässt, um es dann möglichst zu verbieten, muss man nicht verstehen. Wer an der Schule vermeintlich cool und volljährig ist, verkauft Juul auf dem Pausenhof an minderjährige Kumpels. Vielleicht gleich mit USB-Aufladekabel. Kann man immer gebrauchen.
Fairerweise muss man sagen, gingen der Entwicklung der Juul beste Absichten voraus. Zwei Studenten aus Kalifornien kamen 2015 auf die Idee, sich selbst und Erwachsenen das Rauchen abzugewöhnen. Die nüchterne Nikotineinnahme sollte die Aura der qualmenden, duftenden Tabakzigarette entzaubern. Daraus wurde nichts. Dafür aus dem Unternehmen. Der Anteil der E-Raucher ist um 78% gestiegen. Das Konto der beiden Entwickler auch.
Sie beteuern, dass es nie Ihre Absicht war, Jugendliche zum Rauchen zu animieren. Nach einer Drohung der Gesundheitsbehörde haben sie auch verführerische Aromen aus dem Sortiment genommen. Nur Tabak- und Minzgeschmack bleiben.
Egal in welcher Geschmacksrichtung. „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff der sehr stark abhängig macht.“ Der Satz steht tatsächlich so auf der Packung, allerdings nicht freiwillig, sondern gesetzlich vorgeschrieben. Vielleicht kann der Gesetzgeber noch mehr unternehmen? Z.B. die Steuereinnahmen aus E-Zigaretten in etwas Sinnvolles stecken, wie eine Anti-Kampagne? Oder, auch ein spannender Gedanke, ein Schulgesetz, dass es auch hier erlaubt Toilettentüren auszuhängen?