Ein Weckruf

Schule ohne Rassismus – Eine Modeerscheinung für gute PR?

von Julia Faber

Braucht das Graf-Stauffenberg-Gymnasium Flörsheim wirklich ein Schild am Eingang der Schule mit der Aufschrift ”Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage”? Brauchen wir ein leeres Label, um vor Presse und Co einen guten Eindruck zu machen und nach Außen sagen zu können: ”Wir sind gegen Rassismus”?

Nein – das brauchen wir nicht! Wir brauchen kein leeres Label und auch keine leeren Worte.
Wir brauchen eine ehrliche Debatte, Raum zum Streiten, ohne den Respektvoreinander zu verlieren, und schlussendlich eine klare Haltung gegen Hass, Hetze und Populismus.

Immer wieder gab es Diskussionen über die neu gegründete AG ”Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage”. Verstärkt im Vorfeld des #wirsindmehr Flashmobs (wir berichteten am 11. November 2018), aber auch außerhalb dieses Kontextes. Es wurden Fragen laut, ob wir solch eine AG an der Schule brauchen, aber auch politische Diskussionen über die AG und das Netzwerk entflammten.

Eines vorweg: Die AG ist kein ”linksgrünversiffter” Haufen, der versucht, die Schule mit linksradikalen Ideen zu bekehren und andere Meinungen nicht toleriert. Ganz im Gegenteil! Wir sind eine bunte Truppe mit verschiedenen politischen und moralischen Ansichten, wir sind offen für kritische Meinungen und vor allem wollen wir niemanden eine Meinung vorsetzten, sondern Euch dazu ermutigen, Euch einzubringen, zu diskutieren und eine Meinung zu bilden.
Wir sind alle unterschiedlich und doch vereint uns eines: der Glaube an eine gerechte, tolerante und bunte Schulgemeinschaft.

„Aber unsere Schule ist doch bunt, tolerant und gerecht, oder nicht!?” – Prinzipiell würde ich dem zustimmen. Wenn ich als Schülerin auf unsere Schule schaue, aber auch wenn ich versuche, uns von außen zu betrachten, dann sehe ich eine Menge unterschiedlicher Menschen, die einander achten und sich zu eigenständigen Individuen entwickeln. Ich sehe Leute, die miteinander diskutieren, die offen sind und die letztlich auch bei unserem Flashmob eine klare Haltung für Toleranz und Menschlichkeit zeigten. Dieses Bild unserer Schule macht mich stolz und es würde mich sehr freuen, wenn jede Schülerin und jeder Schüler dieses Bild von unserer Schule haben könnte. Wenn ich dann aber genauer hinsehe und meine Augen nicht vor dem verschließe, was wir zwar alle wissen, aber manchmal nicht so genau wissen wollen, dann sehe ich auch Neid und Gier bis hin zu Mobbing und Hass. Wir wissen alle, dass es Schüler*innen gibt, die andere mobben und ausgrenzen. Es werden Schüler*innen geärgert, weil sie dicker oder dünner sind als andere, weil sie Wörter und Sätze anders aussprechen oder einfach nur, weil einige wenige ein Opfer suchen, um sich besser zu fühlen.

Auch wenn vielen von uns selbst noch kein Mobbing widerfahren ist, haben wir es doch wahrscheinlich alle schon einmal miterlebt oder gehört, dass jemand geärgert und ausgegrenzt wird. Leider beziehen wir viel zu selten Haltung dagegen. Viel zu selten stehen wir dagegen auf und sprechen uns im Einzelfall offen gegen die Hänseleien aus. Ich glaube, da kann sich jeder an die eigene Nase fassen – ich mit eingeschlossen – aber vielleicht ist es ein erster Schritt, das zu erkennen. Zu erkennen, dass wir viel zu oft die Augen verschließen und aus Angst, selbst zum ”Opfer” zu werden oder aus Desinteresse am Wohlbefinden unserer Mitschüler*innen nichts sagen und damit die Ungerechtigkeiten, das Mobbing und den Hass immer weiter befeuern.

Vielleicht können wir das, was wir einmal gemacht haben, nicht mehr rückgängig machen, aber wir können entscheiden, wie wir uns jetzt und ab heute verhalten wollen. Das wäre dann der zweite Schritt, sich heute hier und jetzt für eine friedliche und solidarische Schulgemeinschaft zu entscheiden. Und daraus resultiert dann im Grunde schon der dritte Schritt, nämlich für diese Schulgemeinschaft einzustehen.

Lasst es uns doch einfach mal versuchen! Denn wenn wir alle, jeder Schüler und jede Schülerin, jede*r Lehrer*in und alle weiteren Mitarbeiter*innen, aufstehen gegen Mobbing und Ausgrenzung und den Hass nicht zulassen, können wir gar nicht anders, als zu profitieren. Von Intoleranz profitieren wenige (auch wenn fraglich ist, ob man sich auf dem Rücken anderer wirklich besser fühlen kann), aber wenn wir alle so sein können, wie wir sind und uns gegenseitig unterstützen und helfen, können wir alle aufrichtig und nachhaltig glücklich sein.

Diese Lebenserfahrung einer funktionierenden toleranten und solidarischen Schulgemeinschaft können wir dann nach 8 bzw. 9 Jahren mit in die Welt nehmen und im vierten Schritt, alle Menschen daran teilhaben lassen. Die Zeit, die wir in der Schule verbringen, ist Zeit, die wir nutzen sollten. Nutzen sollten, um zumindest eine leise Idee davon zu bekommen, wer wir sind, was wir wollen und wie wir unser Leben und damit zwangsläufig auch das der Gesellschaft mitgestalten können und wollen.

Wir können das, was geschehen ist (ob es unsere eigenen Handlungen betrifft oder die Entscheidungen der Generationen vor uns) nicht mehr ändern, aber wir haben die Verantwortung, jetzt und ab heute das Beste daraus zu machen.
Das gilt für unsere Welt, das gilt für unser Land und das gilt auch für unsere Schulgemeinschaft.

Genau aus diesem Grund wurde vor gut einem halben Jahr die AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” ins Leben gerufen. Wir wollen unsere Schulgemeinschaft so gestalten, dass wir alle frei sein können, uns gegenseitig helfen und so annehmen, wie wir sind.
Dafür brauchen wir aber Eure Hilfe! Wir geben Euch einen Rahmen, eine Idee und das nötige Werkzeug; aber was daraus wird, das entscheidet Ihr.
In der nächsten Zeit wird die AG Unterschriften sammeln, die Euch als einen ersten Anstups dienen können. Jede*r Einzelne von Euch kann mit seiner/ihrer Unterschrift zeigen, dass Ihr die Werte einer offenen und toleranten Schulgemeinschaft teilt.
Unterschreib auch Du, um zu zeigen, dass Du Hass, Ausgrenzung und Rassismus nicht tolerierst!

Die AG-Mitglieder freuen sich auf eine spannende Zeit, kontroverse Debatten und eine mutige und klare Haltung.

Weiterführende Infos zu dem Projekt findest du auf der Projekthomepage:

https://m.schule-ohne-rassismus.org/startseite/