Lieblingsorte am GSG

Die Terrasse

Die Sonne scheint und versteckt sich nicht länger hinter regenschweren Wolken. Die Temperaturen klettern langsam über 10°Celsius und die Welt draußen beginnt sich zu wandeln. Mit ihr beginnen auch die Schüler*innen aus ihrer Winterstarre zu erwachen und Orte im Freien aufzusuchen, an denen sie Pausen und Freistunden verbringen können.

Die Terrasse, neben dem Pausenhof gelegen, scheint nach den langen Wintermonaten einer dieser Orte zu sein. Sie liegt zwischen drei hufeisenförmig angelegten Gebäuden, die sie wie eine Mauer schützend umgeben. Und obwohl sie aus den Fenstern der Gebäude stets den wachsamen Blicken der Mittel- und Unterstufen ausgesetzt ist, verliert sie dabei kaum an Charme.

Ganz im Gegenteil; denn während des Unterrichts, wenn noch alles ruhig ist, die Bänke verlassen sind und ein paar einsame Tauben ziellos umherwandern, dringen leise Gesänge aus den Musikräumen herüber und erfüllen die Luft mit ihren Klängen. Sie zaubern aus der Terrasse einen Ort der Musik, einen Ort des Lebens, auch wenn sich um diese Zeit noch keiner der Schüler*innen dort niedergelassen hat. Auch ein auffrischender Wind, der die letzten Blätter des vergangenen Herbstes aufwirbelt und sie spielerisch über den Platz jagt, erzeugt ein wohlwollendes Rauschen in den Hecken, die die Terrasse von dem großen Konkurrenten, dem Pausenhof, abgrenzen sollen. Doch erst mit dem Gong, wenn sich die Freistunde ankündigt und die ersten Schüler*innen aus den Gebäuden strömen, entfaltet sich ihr wahres Potential.

So versuchen einige von ihnen der stickigen Cafeteria zu entfliehen, um einen der sonnengewärmten Plätze zu erhaschen und zugleich einen Teil ihrer Freiheit und Ruhe wiederzuerlangen. Waren sie bis vor kurzem noch gezwungen auf engstem Raum zu essen, Tablett an Tablett mit fremden Schüler*innen verschiedener Altersklassen, bietet die Terrasse nun ausreichend Platz und Freiraum für jeden einzelnen von ihnen. Daher treten die Schnellsten ohne zu zögern hinaus, ihre vollen Tabletts auf der einen, versuchen sie mit der anderen Hand unbeholfen die schweren Glastüren aufzuschieben. Obwohl es dabei in regelmäßigen Abständen zum Stau kommt, scheint es fast ein übergeordnetes System in diesem Chaos zu geben, sodass Unfälle weitestgehend vermieden werden können.

Wer die Terrasse hingegen nicht etwa zum Essen sondern aus einem anderen Grund aufsucht, hat sich längst auf einem der sonnengewärmten Holzbänke niedergelassen und seine Freunde um sich geschart. Für Schüler*innen mit Tabletts sind gute Plätze daher rar gesät. Wer es dennoch schafft, einen kostbaren Platz zu finden, wird die Regeln von drinnen nicht ganz ablegen können. Galt es drinnen sich lediglich gegen den Lärm anderer Schüler*innen zu behaupten, so treten draußen ganz neue und unvorhergesehene Probleme auf. Plötzlich wuseln Kinder zwischen den Bänken und Beeten umher und rufen sich Worte zu, die im Lärm des nächsten Flugzeugs bereits wieder untergehen. Lehrer kreuzen die Terrasse im Minutentakt und schaffen es gerade so den unbeugsamen Schülermassen unter einem Hagel von Begrüßungen auszuweichen. Dabei entgehen ihnen allzu häufig die Oberstufenschüler am Rande, die kaum merklich ihre Handys gezückt und sich schon lange von den Grünen Zonen losgelöst haben. Weitaus mehr Aufmerksamkeit erregen daher die jüngeren Schüler*innen, die etwas bei sich tragen, das dem Wert einer Droge gleichzukommen scheint. Egal ob es sich dabei um einen Döner oder einer Reisbox vom Wok handelt, außerschulisches Essen regt nicht nur Verdacht bei Mitschüler*innen. Und trotzdem bleiben die meisten von ihnen trotz Ausgangssperre unentdeckt und zaubern aus der Terrasse, zur lebhaftesten Zeit des Tages, einen Ort der Gemeinschaft, des Austauschs und des Lachens. In diesen Momenten, wenn das Chaos die vorangegangene Idylle vereinnahmt und alles vor Leben strotzt, kommen Groß und Klein gemeinsam an diesem einen Ort zusammen, an dem sie alle gleichermaßen ihre Sorgen vergessen und den Sommerferien entgegenfiebern können: der Terrasse.

 

Helga Meier, Q3 (April 2018)