„Werft eure Zuversicht nicht weg!“
Ein Interview mit Sascha Jung
Einige kennen ihn aus dem Unterricht, andere von unseren Schulgottesdiensten und vielleicht habt Ihr ihn auch in den Nachrichten der jüngsten Vergangenheit gesehen – den beurlaubten Flörsheimer Pfarrer Sascha Jung.
Die Schülerzeitung des GSG hat Sascha Jung getroffen und ihn mit Fragen gelöchert.
Warum der beurlaubte Pfarrer nicht mehr aktiv im Dienst ist, wie es jetzt mit ihm weitergeht und was er uns Schüler*innen mit auf den Weg geben will, erfahrt Ihr hier:
1. Wie sieht Ihr Werdegang aus und was haben Sie bei uns am GSG gemacht?
Sascha Jung war ursprünglich Bankkaufmann in Limburg bis er über den zweiten Bildungsweg sein Abitur nachholte, welches er 2002 erhielt. Nach einem Studium der Theologie in Frankfurt und Rom wurde er schließlich Kaplan in Limburg. Schon dort unterrichtete er Schüler*innen. Als er dann das Amt des Pfarrers in Flörsheim annahm, begann er bei uns am GSG Schüler*innen in katholischer Religion zu unterrichten, denn Pfarrer seien staatlich dazu veranlasst, an Schulen zu unterrichten. Dass Sascha Jung aber nicht nur aus seiner Pflicht heraus unterrichtete, sondern viel Freude dabei hatte, zeigte seine Art, wie er über die Zeit am GSG berichtete.
2. Was genau bedeutet die Beurlaubung von ihrer Tätigkeit als Pfarrer?
Sascha Jung erklärt zu dieser Frage, dass es sich bei einer Beurlaubung nicht um normalen Urlaub handelt. Wenn sich Pfarrer in einer Krise befinden, könnten sie bei ihrem Bischof um Beurlaubung bitten. Durch die Beurlaubung müsse ein Pfarrer keine Gottesdienste mit der Gemeinde feiern, es sei aber theoretisch weiterhin möglich. Im nächsten Schritt würde dann die Suspendierung folgen, in welcher der Pfarrer keine Gottesdienste mehr feiern dürfte. In letzter Instanz folge die Laisierung, mit welcher eine Behandlung wie mit einem Nicht-Priester einhergehe, denn die Priesterweihe bleibe immer gültig.
3. Warum haben Sie sich zu dem Schritt der Beurlaubung entschieden?
Zu Jungs Entscheidung führte eine ganze Reihe von Gründen, die schließlich im Zölibat endeten. Vor allem die wie er sagt ’’Diskrepanz zwischen dem, was von oben kommt und dem, was die Menschen brauchen’’ ist Sascha Jung schon länger aufgefallen. Das habe er auch im Unterricht immer wieder festgestellt. Wir Schüler*innen würden uns vielseitig mit der Kirche auseinandersetzen, aber oftmals könne die Kirche uns in ihrer momentanen Form nichts bieten, da sie nicht offen genug sei. Vielmehr bräuchte man eine pluralistische und wahrhaftige Kirche. Gerade die fehlende Wahrhaftigkeit in der Kirche habe Jung im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal beschämt. Den damaligen Umgang mit den Menschen in der Kirche verurteilt er stark und sieht insgesamt in vielerlei Hinsicht einen fehlenden Willen von oben, etwas zu verändern.
Die Unzufriedenheit mit seinem Dasein als Pfarrer läge zudem darin begründet, dass er immer mehr Büroarbeit hätte leisten müssen. Seiner eigentlichen Leidenschaft, der Arbeit mit Menschen, wurde er nicht mehr gerecht.
Zusammen mit der Erkenntnis, dass Jung erstmal nichts an den Strukturen innerhalb der Kirche ändern könne, habe vor allem eine ihm fehlende Partnerschaft/Familie zu der Entscheidung geführt, bei seinem Bischof um Beurlaubung zu bitten. Der Zölibat (der Zölibat schreibt katholischen Geistlichen die Ehelosigkeit vor) war also nicht der einzige Grund, welcher bei Sascha Jung zu einer Krise führte, aber doch ein entscheidender.
4. Ist die Entscheidung für Sie ein Bruch mit der Kirche/ dem Glauben?
Diese Frage konnte Sascha Jung klar verneinen. Er habe seinen Glauben trotz der Entscheidung nicht verloren und gehe auch weiterhin in den Gottesdienst. Ganz im Gegenteil würde er seinen Glauben in manchen Teilen sogar freier und intensiver empfinden. Die Krise, in der er sich befindet und die resultierende Entscheidung sei also kein Bruch mit der Kirche oder dem Glauben, sondern lediglich ein Bruch mit der Berufsform.
5. Warum wollten Sie ursprünglich Pfarrer werden?
Jung hatte als Küster, Organist, Messdiener und im Kirchenchor viel mit Kirche zu tun.
Als Pfarrer konnte er sein Hobby zum Beruf machen, denn er würde die Möglichkeit haben, den Glauben und die Erfüllung weiterzugeben. Er wollte wie Jesus ein ‘’Du-Mensch’’ werden und Jesus zeigen, dass ihm der Glaube so wichtig ist, dass er alles dafür in die Waagschale werfen würde. Er gab also sein altes sicheres Leben auf und kam schließlich als Pfarrer nach Flörsheim.
Weiterhin erzählte uns Sascha Jung, dass es für ihn keinen guten oder schlechten Christen gäbe. Vielmehr würden die, die kritisch denken und hinterfragen, richtig glauben. Denn die Theologie verstehe sich als Wissenschaft, die verschiedene Bereiche kritisch betrachte.
Den Gottesglauben auf der Erde beschreibt er mit einem Graphen, der gegen Unendlich strebt. Dabei gäbe es jene Menschen, die sich Unendlich schon ganz nah angenähert haben und jene, die noch relativ weit davon entfernt liegen würden. Dennoch seien alle Punkte solch eines Graphen gleich bedeutsam, damit er zustande kommt. Daher solle man nicht von guten oder schlechten Christen sprechen, sondern sie alle als Teil Gottes sehen.
7. Was haben Sie in Ihrer Zeit als Pfarrer in Flörsheim erlebt?
Auf diese Frage antwortete Sascha Jung, dass ihm vor allem die Feier zum Verlobten Tag und die Fassnacht in besonders guter Erinnerung bleiben würden. Insgesamt habe er die Zeit in Flörsheim als sehr schön empfunden, auch wenn es immer wieder Kritik an seiner Person und seinem Handeln gegeben hätte, welche teilweise in böswilligen anonymen Briefen geendet hätten. Trotzdem würde er viel aus der Zeit in Flörsheim vermissen.
8. Wie sieht ihre Lebensplanung für die Zukunft aus?
Zunächst erklärte Sascha Jung, dass seine Beurlaubung bis zum Sommer gehe. Bis dahin möchte er überlegen, was beruflich für ihn möglich sei und wie er sein Leben in Zukunft gestalten wolle. Obwohl Sascha Jung noch keinen konkreten Plan hat, schien er doch zuversichtlich, dass Gott ihn auf den richtigen Weg lenken wird.
9. Eine letzte Grußbotschaft ans GSG:
Zunächst betonte Sascha Jung, wie gern er bei uns am GSG unterrichtet habe und wie sehr er es mochte, mit uns Schüler*innen zu diskutieren. Religion sei nicht nur eine Einladung, sich mit Gott zu beschäftigen, sondern auch sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Daher wünscht sich Jung von uns eine Offenheit für den Reli-Unterricht, aber appelliert auch an die Lehrer*innen, mehr auf unsere Fragen einzugehen, als stur auf den Lehrplan zu beharren.
Schließlich möchte uns Sascha Jung noch folgende Botschaft aus dem Hebräerbrief mit auf den Weg geben: „Werft Eure Zuversicht nicht weg!“ (Hebr. 10,35)
Die Redaktion der Schülerzeitung des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums bedankt sich bei Sascha Jung für das nette Interview und wünscht ihm für seinen weiteren Lebensweg alles Gute!
Das Interview wurde geführt von Julia Faber, Abiturientin 2019