Internetkompetenz als Schulfach – Ein Essay

Teufelszeug“ ist Alltag

[ein Beitrag aus dem Deutschunterricht Q2]

Das böse, böse Internet… Social Media und Co machen unsere Kinder dumm und faul. Statt auf dem Sportplatz zu stehen, spielen sie „virtuell Tennis“, schauen sich Schminktutorials an und vergleichen sich mit Stars und Sternchen in Hollywood. Und das soll jetzt auch noch in staatlichen Schulen gefördert werden?! – So sehen viele Kritiker die Forderung nach Medienbildung ab der ersten Klasse. Sind denn aber diese bösen, bösen Medien im Zeitalter der Globalisierung und des technischen Fortschritts nicht schon längst im Alltag unserer Gesellschaft angekommen? Ist das sogenannte „Teufelszeug“ denn wirklich noch aus unserem Leben wegzudenken? Wer über diese Frage ehrlich nachdenkt, kann nicht anders als sie zu verneinen. Und deshalb ist es an der Zeit, auch die Jüngsten in unserer Gesellschaft auf ein Leben mit Internet und Co vorzubereiten.

Daher dieses Plädoyer für gerechte und lebensnahe Lernziele durch Medienbildung ab der ersten Klasse.

Unser aller Leben wird immer mehr von den neuen Medien bestimmt. Nahezu jeder in unserer Gesellschaft hat via Smartphone, Laptop, Tablet und Co. Zugang zum Internet und benutzt es daher regelmäßig. Trotz der enormen Notwendigkeit haben laut einer neu veröffentlichen Studie 30% der deutschen Achtklässler gerade mal einfache Kenntnisse in Computernutzung und Datenschutz scheint ein Fremdwort zu sein. Schule als Institution, die Kinder auf das „Leben“ vorbereiten soll, versagt im Punkt der Medienbildung also völlig.

Fast jeder Arbeitgeber setzt ein gewisses Maß an EDV-Kenntnissen voraus; studieren ohne PC – unmöglich. Medien sind alltäglich geworden; die Benutzung ihrer steht längst auf einer Stufe mit den sogenannten „elementaren Fähigkeiten“ wie Lesen, Schreiben und Rechnen.

Wenn der Präsident des Bundesverbandes für Medien und Marketing, Gerald Lembke, behauptet, Kinder unter 12 Jahren seien noch nicht fähig, Medien richtig zu verwenden; sie würden diese völlig kontextfrei benutzen und außer „Wishkompetenz“ käme da nichts bei rum; dann muss man sich doch  fragen, warum das so ist. „Medienbildung statt Wishkompetenz“ – das sollten sich die deutschen Kultus-/Bildungsminister vielleicht mal vornehmen. Bei vielen Kindern muss man tatsächlich mehr von „Wish-“ als von Medienkompetenz sprechen. Benutzen können Kinder die neuen Medien wohl – sie müssen aber auch lernen dürfen, wie es richtig geht.

Natürlich sollen Kinder, vor allem in der Grundschule, noch plastisch lernen, Dinge anfassen und über ihre Sinne begreifen. Aber trotzdem ist die Benutzung der Medien längst bei unseren Grundschülern angekommen. Schon die jüngsten nehmen ganz selbstverständlich das Smartphone ihrer Mama oder ihres Papas in die Hand, weil wir es ihnen vormachen.

„Kinder könnten die Medien noch nicht verstehen, dafür seien sie noch zu klein“ –  das sind reine Ausreden von Eltern und Lehrern, die das Internet selbst nicht verstehen. Statt sich damit zu befassen, lehnen sie alles rund ums Internet ab. Und ja, das Internet birgt Risiken. Es ist komplex, es ist gefährlich und dazu ändert es sich auch noch ständig. Und dennoch ist die Benutzung alltäglich – keiner kann vor den „bösen Medien“ entkommen, auch die jüngsten in unserer Gesellschaft nicht. Genau deshalb ist es so wichtig, Kindern, für welche die neuen Medien alltäglich sind und die anders als wir, eine Zeit ohne Mobilfunk, Internet und GPS gar nicht kennen, die Medien zu erklären.

Kinder müssen das lernen dürfen, was offen gestanden wir selbst oftmals nicht wissen oder verstehen – nämlich was die neuen Medien eigentlich genau sind, wie sie im Detail funktionieren und auch welche Gefahren es konkret gibt.

Zusätzlich ist die Mediennutzung in Schulen durchaus sinnvoll. Auch schon in der Grundschule findet man in nahezu allen Fächern Berührungspunkte, um die Medienbildung als Methodik in den Unterrichtsinhalt zu integrieren. Ob man einfache, angeleitete Recherchen durchführt und dabei ganz selbstverständlich lernt, was seriöse Quellen sind, ein mit Bildern und Hilfestellungen animiertes Mathequiz am PC spielt oder einfach nur ein Bild abmalt – Kinder können die Medien auch schon in der Grundschule sinnvoll nutzen.

In den Nachrichten hört man aus allen Reihen immer wieder von der Schere zwischen Arm und Reich, die bedrohlich zu wachsen scheint, von sozialer Ungerechtigkeit und der Chancenungleichheit in unserem Bildungssystem. Die Verbindung zur Medienbildung in Schulen, wird hierbei allerdings ziemlich vernachlässigt. Es sind lediglich einzelne Stimmen, wie auch die von Medienpädagoge Horst Niesyto, die beide Sachverhalte in einen Kontext rücken. So sagte Niesyto in einem Interview mit Maria Wetzel, dass sich der Trend zu einer Zweiklassengesellschaft verschärfe, wenn wir uns nicht um eine frühzeitige Medienbildung bemühten. Wenn Medien und Chancenungleichheit bei Kindern in einen Zusammenhang gebracht werden, denkt man vorerst an das Kind armer Eltern, was „nur ein Billigsmartphone“ in der Hand hält und daher aus der Gruppe der „IPhone-Kinder“ mit reichen Eltern ausgeschlossen wird. In Sachen Elektronik zeichnet sich natürlich, wie auch bei Kleidung, Wohnung etc., das Ausmaß einer Zweiklassengesellschaft ab. Allerdings wird sich das Problem durch kategorische Ablehnung von jeglichen Medien in der Schule nicht beheben lassen. Mittlerweile benutzen sowohl die Kinder aus einkommensschwachen Familien als auch diejenigen mit „reichen Eltern“ Medien und die entsprechenden Gadgets – der Unterschied liegt in der Medienkompetenz. Während die eine Mutter viel Zeit mit ihrem Sohn verbringen kann und ihm die Gefahren sowie die Vorzüge der Mediennutzung erklären kann, arbeitet die andere noch, wenn ihr Sohn aus der Schule kommt und kann weder die Mediennutzung erklären noch den Medienkonsum kontrollieren.

Da eine gute Medienkompetenz allerding längst der Schlüssel zu guten Jobchancen ist, wird sich der Trend einer Zweiklassengesellschaft verschärfen, wenn wir nicht frühzeitig mit der Medienbildung anfangen.

Auch wenn die Medien oft verteufelt werden, helfen sie uns doch enorm in unserem Alltag. Die Vorzüge, die wir in ihnen sehen, die sie so wertvoll, aber auch notwendig für ein Leben in unserer Gesellschaft machen, können und sollten auch Schüler nutzen und überhaupt erfahren dürfen.

In einer Welt, die insbesondere die neuen Medien in allen Formen und Arten nutzt, müssen wir von der ersten Klasse an, unsere Schülerinnen und Schüler über die Medien aufklären, sie erklären. Aber vor allem: sie ganz selbstverständlich nutzen!

Julia Faber, Q2

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