HEADLINE-Nachgefragt beim Generalsekretär der FDP Hessen a.D. Moritz Promny
Ein Interview von Lukas Harper, Klasse 8d
Moritz Promny ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei im hessischen Landtag und war von 2019 bis Ende April 2025 Generalsekretär FDP Hessen. Der 44-jährige ist Sprecher für Innen- und Bildungspolitik. Gerade so muss man jedoch sagen, denn die Freien Demokraten wären bei der letzten Landtagswahl fast aus eben diesem geflogen. Und die Kurve scheint nicht zu wachsen. Im Gegenteil. Über Wahlergebnisse, Bildungspolitik und ein Tempolimit habe ich mit ihm in den Fraktionsräumen der FDP in Wiesbaden sprechen können. Viel Spaß beim Lesen!
Wenn man die Wahlergebnisse der FDP der letzten Zeit ansieht, erkennt man ein gewaltiges Tief – Was ist gerade mit der FDP los?
Die Wahlergebnisse, insbesondere mit Blick auf die Bundestagswahl, sind für uns definitiv nicht zufriedenstellend. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass wir wieder in den deutschen Bundestag einziehen, weil es auch einfach wichtig ist, dass es dort eine Partei gibt, die für die freiheitliche Stimme in diesem Land spricht. Das haben wir aktuell nicht, wir haben nur Parteien dort, die Etatisten (Anm. d. Red.: Etatismus bezeichnet eine ausschließlich auf das Staatsinteresse eingestellte Denkweise.) sind. Deswegen wäre es wichtig – oder eben wichtig gewesen – eine Stimme der Freiheit zu haben, die sich auch für Marktwirtschaft einsetzt und für gesellschaftliche Freiheit.
Aber hat nicht die FDP diesen Vertrauensverlust bei den Bürgerinnen und Bürgern, beispielsweise durch die D-Day-Papiere, selbst zu verantworten?
Ja, sicherlich. Es wäre ja nicht richtig zu sagen, dass wir nicht auch einen Anteil daran hätten. Die FDP, mit all ihren Maßnahmen, ist dafür verantwortlich, was für ein Wahlergebnis sie hat. Das steht außer Frage. Ich denke, dass, wenn man so in der Rückschau darauf blickt, man sich an der ein oder anderen Stelle an die Nase fassen muss und sich fragen muss, wo wir da den Fehler gemacht haben. Was hätte man besser machen können? Was hätte man anders machen können? Aus diesen Fehlern muss man natürlich für die Zukunft lernen.
Wie will Deine Partei besonders die jungen Wählerinnen und Wähler, die bei der Bundestagswahl 2021 noch am meisten von den Grünen und der FDP begeistert waren, wieder zurückholen?
Ich glaube in diesem Zeitraum 2017 bis 2021 waren wir sowas wie eine programmatische (Anm. d. Red.: Das bedeutet so viel wie richtungweisend oder zielsetzend.) Kraft für das Land. Wir haben ganz wichtige Themen nach vorne gestellt, wie die Digitalisierung des Landes voranzutreiben, wir haben das Thema der Aktienrente beispielsweise weit nach vorne gebracht und auf die Agenda gesetzt. Ich glaube, das sind Themen, die die jungen Menschen auch aktuell rumtreiben. Wenn wir in diese Richtung wieder unsere Aktivität mehr entfalten, dann kann ich mir auch vorstellen, dass wir bei den jungen Wählerinnen und Wählern auch ankommen. Ich sehe mit großer Sorge, dass aktuell gerade junge Menschen in den rechtsextremen, wie auch in den linksextremen Bereich aus der Mitte abwandern. (Anm. d. Red.: Die deutschlandweit anerkannte Shell-Jugendstudie sagt dazu folgendes: “Auf einer Skala von 1 bis 11 (1 = Links bis 11 = Rechts. Skalenmittelpunkt = 6) stufen sich aktuell die Jugendlichen mit einem Mittelwert von 5.3 ein. Damit ist die Selbstpositionierung insgesamt stabil (2019: 5.1). Auch in 2024 haben wir keine Veränderungen feststellen können, die auf einen Rechtsruck hindeuten.”) Deswegen ist es eine Aufgabe der gesamten demokratischen Landschaft der Mitte dafür zu sorgen, dass sich junge Menschen wieder ernstgenommen fühlen und auch ihre Themen in der Politik wiederfinden.
In dem von Dir angesprochenen Zeitraum 2017 bis 2021 hat Christian Linder mal gesagt: “Lieber nicht regieren, als schlecht regieren.” Wieso hat man diesen Vorsatz in Bezug auf die Ampel einfach über Bord geworfen?
Also, Lukas, er hat das ja 2017 in einer Situation gesagt, wo man in Sondierungsgesprächen mit der CDU und den Grünen war. Inhaltlich war da für die Freien Demokraten keine Möglichkeit gestalterisch tätig zu sein. Es ist dann nur konsequent, zu sagen, dass man nicht regiert. Es gibt so ein wunderschönes Bild, das Christian Lindner selbst mal beschrieben hat, dass er in dieser Situation gesagt hat. Es wäre so gewesen, dass er 2017 oben auf dem 10-Meter-Turm gestanden hätte, wo er auch schon hätte regieren können. Dann wäre er einfach die Leiter runtergegangen, ohne vom Turm zu springen. Christian Lindners Antwort darauf war dann, zu sagen, er wäre ja vom Zehner gesprungen, wenn Wasser im Becken gewesen wäre. Er will damit zum Ausdruck bringen, dass man überhaupt keine inhaltlichen Punkte der FDP hätte umsetzen können und deswegen war es richtig, zu sagen, dass es besser ist, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. 2021 war es eine ganz andere Situation, weil die FDP natürlich vor dem Hintergrund der Absage der Koalitionsgespräche 2017 unter Druck stand, regieren zu “müssen” und dort auch die besondere Situation bestand, dass man gar nicht bereit war, überhaupt in Gespräche einzusteigen. Sprich, die CDU/CSU, insbesondere ein Herr aus Bayern (Anm. d. Red.: Moritz Promny redet hier von Markus Söder.) hat sich den Gesprächen auf Bundesebene 2021 verweigert, weil er nicht wollte, dass der damalige Kanzlerkandidat der Union Kanzler wird (Anm. d. Red.: Das war damals Armin Laschet, früherer Ministerpräsident von NRW.). Das ist eine Situation, wo wir gar keine andere Möglichkeit hatten. Wenn man sich aus 2021 den Koalitionsvertrag ansieht und auch anschaut, was wir als Freie Demokraten angeschoben haben, kann man eigentlich sehr zufrieden sein, weil der Start der Ampel durchaus positiv war, anders als jetzt. Wir haben es geschafft, im ersten Wahlgang einen Kanzler zu wählen, das haben Union und SPD nicht hinbekommen. In der ersten Phase der Ampel waren die Zustimmungswerte auch sehr gut. Also wir waren da bei über 14%. Das war an der Stelle richtig, diese Entscheidung zu treffen.
Entschuldigung, wenn ich so frage, aber sind 14% gut?
Für Freie Demokraten ja. (grinst)
Jetzt hast Du vorhin die Ränder angesprochen und dass Du nicht möchtest, dass diese weiter ausgeweitet werden.
Ja…?
Unterstützt man aber nicht solche Ränder, indem man im Bundestag mit denen zusammen abstimmt?
Lukas, was meinst Du mit “zusammen abstimmen”?
Naja, es gab im Januar einen Gesetzesentwurf der Unionsfraktion, …
Von der Union, genau.
…bei besagtem Antrag war von Anfang an klar, dass er nur durchkommt, wenn auch die AfD ihre Stimmen dafür gibt. SPD und Grüne hatten direkt eine Absage erteilt, also blieben nur die Rechten.
Aber demokratietheoretisch kann ich ja nicht sagen, dass – wenn eine Idee beispielsweise von der CDU kommt – die CDU hat einen Gedanken formuliert, der auch mit der Programmatik der Freien Demokraten übereinstimmt, … Wieso sollte man dem nicht zustimmen? Wenn man diese Logik verfolgt, würde das dazu führen, dass die SPD und die Grünen ständig, obwohl sie eigentlich eine Minorität darstellen, eine Sperrmöglichkeit hätten. Ich finde das an der Stelle demokratietheoretisch schwierig. Es ist etwas Anderes, wenn das ein Antrag der AfD wäre… – Dazu habe ich eine klare Haltung. Es ist aber ein Antrag der Union gewesen, also da weiß ich nicht, warum man dem bei inhaltlichen Schnittmengen nicht zustimmen soll.
Nun bist Du ja aber Landespolitiker, deswegen würde ich auch gerne so langsam auf ein paar Themen zu sprechen kommen, bei denen Du mitbestimmen kannst.
Sehr gerne.
In deiner Fraktion bist Du der Sprecher für Innen- und Bildungspolitik. Ich würde mich gerne mit Dir in die Lage hineinversetzen, dass Du der hessische Kultusminister bist.
(lacht)
Angenommen, Du könntest eine Sache an unserem Schulsystem ändern: Was wäre das?
Das ist eine sehr sehr gute Frage! Ich glaube, die größte Veränderung, die man erzeugen könnte, wäre, wenn man eine Veränderung zwischen der aktuellen Differenzierung von Schulträger, der für die Gebäude zuständig ist, und dem Land, das zuständig ist für das Personal, herbeiführt. Wenn man diese Differenzierungskompetenzen aufbrechen würde, würde das in unserem Land unglaublich viel bewirken.
Was würde es bewirken?
Es würde dazu führen, dass an vielen Stellen die Kompetenz dort liegt, wo sie idealerweise liegen sollte, nämlich möglichst ausdifferenziert, also dezentral vor Ort. Wir sehen das in anderen Ländern, beispielswiese Kanada, die diesen Schritt gegangen sind und gesagt haben, sie vertrauen den Schulgemeinden und den Kommunen vor Ort und geben denen dann auch die Entscheidungskompetenz sowohl über die Struktur der Gebäude als auch über das Personal. Das hat dazu geführt, dass die in Bezug auf ihr Bildungssystem ziemlich erfolgreich sind. Ich könnte mir vorstellen, dass das ein Schritt ist, der dazu beiträgt, dass wir in Hessen das Schulsystem radikal modernisieren.
Apropos Struktur der Gebäude: Wann hast Du das letzte Mal eine Schule von innen gesehen?
Das ist gar nicht so lange her. Ich war letzte Woche Donnerstag (Anm. d. Red.: Gemeint ist der 08. Mai 2025) in einer Schule zu Besuch. Ich mache das eigentlich regelmäßig, dass ich mir Schulen ansehe, auch in den Austausch komme, sowohl mit den Schülerinnen und Schülern als auch mit den Lehrerinnen und Lehrern, einfach um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Situation hier in Hessen ist.
Wie war denn die Situation? Was war Dein Eindruck?
Ich mache das mal an folgendem Beispiel fest: Wir wollen natürlich die Schulen modernisiert haben und wollen sie auf einem möglichst aktuellen Stand haben, was die Gebäudestruktur, aber auch die infrastrukturelle Ausstattung mit Digitalisierung beispielsweise anbelangt. Da habe ich den Eindruck, dass da viel Optimierungsbedarf in Hessen ist. Es gibt ja diesen „wunderbaren“ Digitaltruck der Landesregierung, wo man verdeutlicht bekommt, was heutzutage technisch alles möglich wäre. Da geht es dann um KI und um individualisiertes Lernen, … Der Digitaltruck fährt dann immer zu einer Schule, zeigt den Lehrern und den Schülerinnen und Schülern, was da so geht. Man guckt sich das dann an, ist total begeistert und dann fährt der Digitaltruck wieder weg und lässt die Schule im letzten Jahrhundert zurück. Das ist ein Ansatz, wo man definitiv drangehen muss und auch einen Willen für Veränderung entwickeln muss. Diesen Willen zur Veränderung erkenne ich bei der aktuellen Landesregierung nicht. Ganz im Gegenteil: Wir haben jetzt ja die Wiedereinführung (fängt an, zu lachen) des Blockflötenunterrichts und ich glaube, das ist nicht die Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. (Anm. d. Red.: Im hessischen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ist davon die Rede, Kindern das „Tor zur Welt der Musik [zu] öffnen“. Damit soll an Grundschulen das Spielen der Blockflöte gelehrt werden, wofür die „Grundschüler eine Blockflöte und die Lehrkräfte passendes Unterrichtsmaterial erhalten“ sollen.)
Bei uns an der Schule werden gerade alle Klassenstufen mit iPads ausgestattet. Außerdem haben wir vor mittlerweile zwei Jahren elektronische Tafeln bekommen, mit denen wir mehr digital lernen wollen und sollen. Der Main-Taunus-Kreis hat jetzt aber Gelder gestrichen, was bedeutet, dass es da jetzt vielleicht auch nicht viel weiter vorangeht. Aber was soll denn überhaupt noch kommen, wenn man doch schon so modern ausgestattet ist?
Es gibt so tradierte Bilder, wie Schule auszusehen hat, die gar nicht gesetzlich festgeschrieben sind. Wenn du heute an einen Klassensaal denkst, dann gehst du davon aus, dass vorne der Lehrer steht und dann gibt es entweder ein U oder die Tische stehen so, dass man auf Frontalunterricht eingestellt ist. Das ist nirgends gesetzlich normiert, dafür gibt es keine Verordnungen. Trotzdem machen wir Schule so. Ich glaube, der erste Schritt, den man gehen muss, ist, sich dessen bewusst zu werden. Wenn man dann sagt, dass die Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen des 21. Jahrhundert vorzubereiten sind, … da passt Lernen im Gleichschritt nicht mehr, das ist eine Katastrophe. Das wird nicht gefragt sein. Was gefragt sein wird, ist ein möglichst selbstständiger und kreativer Mensch und daraufhin müssen wir die neuen Säulen des Schulsystems ausrichten. Deswegen wird es darum gehen, welche Säule kann man errichten, damit wir ein möglichst schülerzentriertes und individualisiertes Lernumfeld schaffen. Da gibt es durch die modernen Techniken ja unglaubliche Unterstützungsmöglichkeiten. Jetzt geht es mir nicht darum, dass man ein iPad hat, um herumzudaddeln, sondern es geht natürlich darum es beispielsweise für eine Vokabelapp zu nutzen.
Bei der Landtagswahl 2023 hat Deine Partei einen sehr großen Fokus auf Bildung gelegt, das hat man auch am Wahlprogramm gesehen, wo Bildung das erste Thema war. Ich habe einen Auszug aus dem Wahlprogramm der FDP mitgebracht. Darin heißt es: „Bildungspolitik darf sich ausschließlich an den Bedürfnissen und Talenten jedes Einzelnen orientieren – nicht an Ideologien.“ Was meint ihr damit?
Das Wichtige ist natürlich, zu schauen, dass wir Schule nicht über die Struktur denken, sondern über den jeweiligen Schüler oder die jeweilige Schülerin. Das, was ich eben gerade schon ausgeführt habe, geht auch in diese Richtung. Es kann nicht sein, dass wir über Dinge diskutieren, über die man schon in den 50ern, 60ern oder 70ern diskutiert hat. Welche Schulform muss es geben? Das sind alles Diskussionen der Vergangenheit, die uns auch nicht weiterführen werden. Deswegen geht es darum, zu sagen, dass wenn wir Schule neugestalten und transformieren wollen, dann muss unser Ausgangspunkt der einzelne Schüler sein. Von dort aus müssen wir denken und Schule aufbauen. Das steckt da drin.
Wenn man Deiner Partei beim Thema Schule zuhört, bekommt man oft mit, dass ihr mit der Auswahl der Fächer nicht zufrieden seid. Ihr hättet gerne Unterrichtseinheiten wie Steuern, Finanzen, Informatik oder Digitales. Warum ist es so wichtig, dass wir solche Fächer haben, und welche würdest Du persönlich einführen?
Hm… (überlegt lange) Also, die Kerncurricula (Anm. d. Red.: Der Lehrplan ist gemeint.) haben sich enorm gewandelt und immer wieder der Zeit angepasst. Ich glaube, das ist etwas, was wir definitiv vorantreiben müssen, sodass wir eine gewisse Aktualität in der Schule haben. Die Frage nach den einzelnen Fächern ist natürlich immer ganz spannend, aber sie wird gestellt im Kontext einer Schule der Vergangenheit und nicht in einer modernen Schule. Wenn man beispielsweise nach Finnland geht, wo man sich gelöst hat, dass die Schule vorgibt, welche Fächer man lernen muss – mit der Ausnahme Finnisch, das ist ein Pflichtfach. Alles andere ist in der Oberstufe frei wählbar. Das ist etwas, wo man auch hingehen müsste, dass man viel mehr auf die Individuen schaut und welche Interessen und Neigungen sie haben. Danach richten wir das Schulsystem und die Fächer aus. Wir haben jetzt in dieser Plenarrunde eine Initiative laufen zum Thema finanzielle Bildung…
Gerade jetzt aktuell?
Ja, in dieser Sitzungswoche. (Anm. d. Red.: Gemeint ist die Sitzungswoche vom 13. Bis zum 15. Mai.) Weil uns ökonomische Bildung voranzubringen wichtig ist, weil wir einfach feststellen, dass ein Großteil der Gesellschaft da nicht die Kompetenzen hat, die man eigentlich haben müsste. Unser Ansatz ist, die Menschen fit zu machen im Bereich der Finanzen. Das ist insofern ein wichtiges Thema. Ein anderes wichtiges Thema aus unserer Sicht sind die MINT-Fächer insgesamt. Aber in dem Kontext dann auch das Fach Informatik. Die Landesregierung hat ein „Fake-Fach“ namens „Digitale Welt“. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Das wird aktuell an 80 von 2000 Schulen gelebt und ich glaube, wenn man wirklich Transformation will und Modernität in Schulen bringen möchte, dann muss man bei den Themen auch ernster zugreifen und diesen Unterricht muss es flächendeckend in Hessen geben. Das ist unsere Forderung als Freie Demokraten.
Wenn neue Fächer eingeführt werden, müssen die auch unterrichtet werden. Der Lehrkräftemangel ist jedoch ein drängendes Problem in Hessen, aber auch über unsere Landesgrenzen hinaus. Und es ist ja nicht so, als dass wir weinend zuhause sitzen würden, wenn einmal eine Unterrichtsstunde ausfällt. Der Stoff kommt aber trotzdem zu kurz. Welche Strategien verfolgt die FDP, um diesem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken?
Da gibt es einen bunten Strauß an Möglichkeiten. Eine ist der qualifizierte Quereinstieg. Zudem wäre uns auch wichtig, den Beruf attraktiver zu machen. Wir haben beispielsweise auch ein Initiative gefahren, dass es ein duales Lehramtsstudium gibt. Das hat die Landesregierung leider abgelehnt. Wir halten das trotzdem für wichtig, um Menschen, die sich überlegen, Lehramt zu studieren, dazu zu bewegen, das auch zu tun. Andere Bundesländer zahlen sogar Anwerbeprämien für Lehrkräfte. Bei uns in Hessen ist es stellenweise so, dass es eine Sommerarbeitslosigkeit bei Lehrkräften gibt, denn die sind ja über die Sommerferien nicht beschäftigt. Da muss man als Arbeitgeberdienstherr, der das Land Hessen in dem Fall ist, viel mehr Aktivität entfalten, um den Beruf attraktiver zu machen. Die Landesregierung feiert sich immer dafür, dass sie sagt, sie hätten 2000 neue Lehrerstellen geschaffen – eine Lehrerstelle gibt noch keinen Unterricht. Man hat dann zwar die Planstelle, aber es muss auch ein Mensch da sein, der Unterricht gibt. Das sehe ich aktuell nicht, deswegen sind die Aktivitäten, die die Landesregierung da entfaltet, eher mangelhaft.
Ich habe jetzt viel Kritik gehört, aber wie genau möchtest Du es denn attraktiver machen?
Was unsere Vorstellungen sind?
Ja.
Ein Baustein ist wie gesagt ein duales Lehramtsstudium. Wir haben darüber hinaus uns dafür eingesetzt, dass die Vergütung verbessert wird, beispielsweise die A13 für die Grundschullehrkräfte (Anm. D. Red.: Moritz Promny spricht hier den Besoldungsplan für Lehrkräfte an. Demnach ist in Hessen genau geregelt, wie viel Geld Verbeamtete bekommen. Die Gehaltsklassen teilen sich in verschiedene Gruppen auf, wie unter anderem A13. Das soll ab 2028 das Mindestgehalt für Grundschullehrkräfte sein.). Dafür haben wir in der letzten Legislaturperiode sehr stark gekämpft, ein anderer Baustein kann auch sein, über Leistungsanreize zu reden. Es ist ja sogar im Beamtenrecht möglich. Das haben wir demensprechend in unserer Programmatik zu Landtagswahl gehabt, aber da muss man natürlich auch schauen, an welchen objektiven Kriterien man das festmacht. Ich denke, es gibt eine Reihe an Möglichkeiten, das attraktiver zu gestalten.
Nächstes Thema, hat vielleicht im Ansatz etwas mit Innenpolitik zu tun: Die FDP setzt sehr auf die Freiheit jedes einzelnen Menschen…
Definitiv!
…so beschreibt ihr euch zumindest selbst. Ein besonders ein Aspekt von diesem “Freiheitsgefühl” scheint deiner Partei dort besonders wichtig zu sein: Kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Damit hinken wir hinterher und sind das einzige demokratische Land weltweit ohne Geschwindigkeitsbegrenzung. Warum seid ihr so dagegen?
Du hast die Frage doch selbst schon beantwortet – Weil wir die Freiheit des Einzelnen in den Vordergrund stellen. Das wäre ja eine Einschränkung des Freiheitsgefühls, wenn wir da jetzt ein Tempolimit einführen würden. Insofern ist das eine Diskussion, die immer wieder geführt wird. Ich denke, dahinter steckt etwas anderes. Die anderen Parteien versuchen, damit zum einen die Freiheit einzuschränken und zum anderen andere Themen damit zu verknüpfen. Ich glaube, wir sind gut beraten, weiterhin den einzelnen Menschen zu vertrauen und ihnen so viel Vertrauen zu schenken, dass sie wissen, welche Geschwindigkeit die richtige ist, mit der sie unterwegs sein wollen.
Inwiefern wird denn überhaupt eine Freiheit eingeschränkt, wenn man dadurch Unfälle vermeidet oder das Klima damit auch schont.
In der Straßenverkehrsordnung steht, dass es ein Rücksichtnahmegebot gibt. Die übliche Bandbreite der Parteien vertraut den Menschen nicht und trauen den Menschen nicht zu, dass sie selbst in der Lage sind, ihre Geschwindigkeit festzulegen. Wir vertrauen ihnen aber. Immer unter Beachtung der Straßenverkehrsregelungen.
In der StVO steht ja aber auch geschrieben, wir bleiben an der roten Ampel stehen. Es funktioniert trotzdem nicht immer. Wir haben in dem Fall aber dann eine Hemmschwelle, um zu sagen, dass es ein Tempolimit von 130 km/h gibt, wer sich daranhält, das ist gut, andernfalls kann man eben schneller fahren, muss aber eben mit Konsequenzen rechnen.
Aber diese Logik kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Es ist ja eher so, dass eine rote Ampel nachvollziehbar ist. Da ist eine Kreuzung und an muss man stehenbleiben. Wenn aber eine Straße frei ist, kann man im eigenen Ermessen entscheiden, wie schnell man ist. Da sehe ich keinen Regelungsbedarf.
Dann können wir das Thema Tempolimit abhaken, wir kennen jetzt Deine Position. Ich würde gerne noch über Krieg sprechen. Der ist so nah wie nie zuvor. Viele junge Leute um mich herum machen sich Sorgen, ob sie für einen verpflichtenden Wehr- und Sozialdienst eingezogen werden würden. Was hältst Du davon? Gehst Du mit?
Die Position der Freien Demokraten dazu ist, dass wir keinen Zwang wollen.
Wegen dem Freiheitsgefühl?
Freiheitsgefühl oder sozusagen wegen der grundsätzlichen Freiheit des Einzelnen. Es gibt ja aber auch noch andere Gründe. Bei dem Thema der Wehrpflicht ist auch die Frage, wie man das militärisch strukturiert. Da ist aktuell unsere Haltung, dass wir lieber eine Berufsarmee haben wollen, die nach klar strukturierten Vorgaben eingesetzt wird. Das ist ein sinnvoller Weg.
Völlig aus dem Kontext gerissen: Wann kommt das Wählen ab 16?
(lacht) Also, wir sind im Hessischen Landtag „Serviceopposition“, um die regierungstragenden Fraktionen an der Stelle anzutreiben. In unserer Programmatik, die du ja auch gelesen hast, haben wir uns dafür ausgesprochen, dass das kommt. Ich halte es auch für sinnvoll, weil einige in dem Alter sogar schon arbeiten gehen und Verträge abschließen. Warum soll man dann nicht über die Zukunft des Landes mitentscheiden dürfen? Das ist ein wichtiger Aspekt, denn ich glaube, junge Menschen müssen da eher die CDU in Bewegung bringen. Wir aus unserer Sicht machen das, wo wir können, aber dass es aktuell nicht kommt, liegt an der CDU.
Blicke als Abschluss bitte einmal auf Hessen im Jahr 2030 – Welche Vision hast du für unser Land?
Was ich mir wünschen würde für 2030, wäre, dass wir im Bildungsbereich richtig Vollgas geben, dass wir das beste Bildungsland Deutschlands, Europas, vielleicht sogar weltweit sind und ein Leuchtturm dahingehend, was es heißt, moderne, digitale und individuelle Bildung voranzutreiben. Das wäre meine Traumvorstellung!
Vielen lieben Dank für das nette Gespräch!
Sehr gerne, hat Spaß gemacht.
Moritz Promny und Lukas Harper haben sich vor Beginn des Interviews auf das „Du“ geeinigt. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die politische Neutralität unseres Chefredakteurs gehabt, wie aus den Fragen zu entnehmen war.
Das Interview wurde am Montag, den 14. Mai 2025 in den Fraktionsräumen der FDP-Landtagsfraktion in Wiesbaden geführt.
Alle Bilder entstanden am Tag des Interviews. Alle Rechte an eben diesen liegen bei Brian Röcken (persönlicher Referent von Moritz Promny) und Lukas Harper, bzw. HEADLINE.