HEADLINE-Nachgefragt
Ein Interview von Lukas Harper, 8d
Lars Klingbeil ist der Vorsitzende der ältesten demokratischen Partei in Europa. Besonders im Wahlkampf muss er sich als Chef der Kanzlerpartei auf die Wahl am 23. Februar 2025 fokussieren. Umso mehr freuen wir uns, dass der SPD-ler sich Zeit genommen hat, mit mir ein Interview zu führen. Über Populismus, Social Media, die Gefährder der Demokratie und das Mitwirken im politischen Alltag junger Menschen geht es in HEADLINE-Nachgefragt mit Lars Klingbeil. Viel Spaß beim Lesen!
Wie gehen Sie persönlich mit Populismus im Wahlkampf um?
– Wahlkampf ist immer eine Zeit, in der man zuspitzt. Es ist eine Zeit, in der man klare Botschaften hat und den politischen Gegner auch mal angreift, aber das muss immer fair bleiben. Das ist mir verdammt wichtig. Gerade in einer Zeit, in der Fake-News verbreitet werden oder wo Lügen verbreitet werden, muss man in der demokratischen Mitte auf faire Mittel im Wahlkampf achten.
Denken Sie, dass besonders in Schulen mehr dafür getan werden muss, dass junge Menschen sehen, wenn sie politisch beeinflusst werden?
– Ja! Ich denke, dass wir in Schulen sehr viel mehr digitale Kompetenz und Medienkompetenz lehren sollten, weil ich glaube schon, dass viele auch manchmal glauben, dass das Erste, was sie im Internet sehen, das Richtige ist. Da sollte auch damit gearbeitet werden, dass man Sachen auch überprüfen kann und schaut, ob sie eben richtig sind oder nicht. Das gilt aber nicht nur für junge Leute, auch für die ältere Generation.
Da wir jetzt gerade schon bei dem Thema sind: Oft ist auch eine Altersgrenze für Social Media im Gespräch. Sind Sie auch dafür?
– Nein.
Würden Sie trotzdem gerne transparenter damit umgehen?
– Das ist am Ende immer etwas, was ausgehandelt werden muss. In den Schulen, aber auch in den Familien. Bei uns in Niedersachsen (Anm. d. Red.: Lars Klingbeils Wahlkreis ist der Heidekreis) gibt es jetzt zum Beispiel die Idee, dass alle ab einem bestimmten Alter einen „Social-Media-Führerschein“ machen. Also, bei dem man bewusst in der Schule lernt, wie man sich in Sozialen Medien bewegt, wo Gefahren sind, wo ich Sachen nochmal überprüfen kann – Ich finde, das gehört mit in die Lehrpläne rein.
Was treibt Sie an, trotz der ständigen Unzufriedenheit und Enttäuschung in die Politik, trotzdem weiterzumachen, mit dem, was Sie tun?
– Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Job machen darf. Ich bin der erste in meiner Familie, der Abi gemacht und studiert hat, ich darf heute Vorsitzender der ältesten demokratischen Partei Europas sein, ich bin der jüngste Vorsitzende, den die SPD je hatte und das ist ein totales Privileg für mich. Ich mach das sehr gerne! Und gerade sind ja auch Zeiten, in denen es darauf ankommt, zusammenzuhalten und dass wir nicht gegenüber den Populisten und den Extremisten nachgeben. Somit ist das auch ein harter Kampf, aber es geht eben auch um etwas und dafür möchte ich mich einsetzen!
Ich habe in einem Podcast aus dem Jahr 2022 gehört, dass als Sie im Jahr 2005, zwar nur für kurze Zeit, in den Bundestag als Nachrücker kamen, sehr häufig auf ein Piercing am Auge reduziert wurden…
– Und, dass ich damals so jung war.
Sie wurden also als junger Mensch nicht erst genommen. Denken Sie denn aus heutiger Sicht, dass wenn Sie, wie jetzt gerade, mit jungen Menschen sprechen, denen die nötige Aufmerksamkeit entgegenbringen oder kann da auch Ihre Partei mehr dafür tun?
– Mich hat das damals sehr geprägt. Ich war 2005 für 10 Monate im Bundestag und bin da klar auf mein Alter und auf das Piercing reduziert worden. Mich hat keiner gefragt, wie ich inhaltlich zu den Themen denke. Das hat mich wahnsinnig gestört. Deswegen habe ich mir auch immer vorgenommen, dass ich respektvoll mit jungen Menschen umgehe. Also, ich muss nicht die gleiche Meinung haben, aber ich nehme sie ernst. Ich will mit jungen Leuten zusammenarbeiten, ich mache sehr viel auch an Schulen; sehr viele Projekte mit jungen Leuten. Ich habe immer auch Praktikantinnen und Praktikanten bei mir in den Büros. Ich versuche jungen Menschen den Zugang zu Politik zu geben. Sie sind die Zukunft unseres Landes und unserer Demokratie.
Wenn wir schon bei der Demokratie sind – Diese steht ja sehr unter Druck. Was ist denn gerade die größte Gefahr für unsere Demokratie?
– Das sind vielfältige Gefahren. Auf der einen Seite ist da jemand wie Donald Trump, der Europa und Deutschland von außen unter Druck setzt. Es ist Putin natürlich, der mit dem Krieg, aber auch mit Desinformationskampagnen und hybrider Attacken dafür sorgen will, dass Europa instabiler wird. Es ist die AfD, es sind die Rechtsextremisten und es ist zum Beispiel aber auch islamistischer Terror, der unser Wertesystem und die Art und Weise, wie wir zusammenleben kaputtmachen will. Wir sind aus ganz vielen Ecken bedroht und deswegen ist mir so wichtig, dass wir eine wirklich starke und wehrhafte demokratische Mitte haben.

Was erhoffen Sie sich vom Ausgang der Wahl am 23. Februar? Sollte die SPD vielleicht mal auf die Oppositionsbank? Würde das Ihrer Partei guttun oder setzen Sie auf eine Regierungsbeteiligung?
– Ich kämpfe jetzt noch 19 Tage (Anm. d. Red.: Vom Zeitpunkt der Aufzeichnung des Interviews am 04. Februar waren es noch 19 Tage bis zur Bundestagswahl) lang dafür, dass Olaf Scholz unser Bundeskanzler bleibt. Und ich habe das ja heute hier (Anm. d Red.: Lars Klingbeil war zuvor auf einem Bürgerdialog gewesen) gemerkt: Viele Leute fangen jetzt erst damit an sich zu fragen, wen sie eigentlich wählen sollen. Das sagen uns auch diejenigen, die sich berufsmäßig damit beschäftigen, dass da noch ganz viel Bewegung in die Umfragen kommen kann. Darauf setze ich jetzt. Deswegen bin ich sachlich unterwegs, ich kläre auf, ich werbe für unsere Inhalte, ich möchte, dass die SPD regiert. Ich will dieses Land gestalten. Franz Müntefering hat mal gesagt: „Opposition ist Mist“. Dabei bleibt es auch. Man kann in der Opposition immer kluge Sprüche machen, aber wirklich Sachen umsetzen kann man nur in der Regierung.
Denken Sie, Sie können ausschließen, dass wir nach dem 23. Februar eine Koalition aus der CDU und der AfD in schwarz-blau sehen werden? Nach derzeitigen Umfragen (Anm. d. Red.: Die Erhebung stammt aus dem ZDF Politbaromter vom 31. Januar) wäre das Ganze ja möglich.
– Wir haben jetzt letzte Woche zwei Abstimmungen im Bundestag erlebt, in der Friedrich Merz gezielt Mehrheiten mit der AfD gesucht hat. Und Friedrich Merz hat gesagt, dass er es genauso wieder tun würde. Ich glaube, dass es einige in der Union gibt, die das überhaupt nicht wollen und die damit auch klar sind, aber Friedrich Merz hat mit diesem Tabubruch Vertrauen gebrochen und die demokratische Mitte gespalten. Für die SPD schließe ich eine Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen von der AfD ganz klar aus. Mit Nazis arbeitet man nicht zusammen.
Dann bedanke ich mich recht herzlich bei Ihnen für Ihre Zeit und wünschen Ihnen noch einen entspannten Wahlkampf.
– Dankeschön!
Das Interview wurde am 04. Februar 2025 am Rande einer politischen Veranstaltung in Hofheim am Taunus geführt. Es soll keine Wahlwerbung darstellen, sondern ist als Orientierung zu verstehen.
Die Fotos sind am Tag des Interviews entstanden und alle Rechte liegen bei Tobias Undeutsch (SPD Hessen-Süd).